Geben und Nehmen im Bereich der Sinnlichkeit

Einer der Punkte, die auf der Wunschliste der meisten Menschen ganz weit oben stehen, ist ein erfülltes Liebesleben. Wohl jeder hat irgendwann einmal den Traum, dass seine sexuellen Bedürfnisse und Sehnsüchte auf wunderbare Weise befriedigt werden.

Leider sind wir aber gerade wenn es um Zärtlichkeit, Intimität und Sexualität geht besonders anfällig für Unsicherheiten, Ängste und Kränkungen.

Um diesen entgegen zu wirken, möchte ich in diesem Artikel einige wertvolle Ideen zum Thema „Geben und Nehmen im Bereich der Sinnlichkeit“ vermitteln.

Beide Partner müssen den gemeinsamen sexuellen Handlungen zustimmen

Damit das Geben und Nehmen in diesem Bereich jedoch überhaupt als beglückend erlebt werden kann, muss eine wichtige Grundvoraussetzung erfüllt sein. Diese besteht darin, dass beide Partner mit den zwischen ihnen stattfindenden sexuellen Handlungen einverstanden sind. Andernfalls wäre das Ganze nichts anderes als ein verkappter sexueller Missbrauch.

Probleme mit der Zustimmung zu gemeinsamen sexuellen Handlungen

Genau an diesem Punkt entstehen jedoch bereits viele Probleme. Häufig haben Beziehungspartner nämlich unterschiedlich stark ausgeprägte sexuelle Bedürfnisse sowie unterschiedliche sexuelle Vorlieben. Dies führt häufig dazu, dass sich einer der beiden Partner (nennen wir ihn Partner 1) früher oder später zum Sex bzw. zu bestimmten Handlungen gedrängt, genötigt oder gar gezwungen fühlt, ohne dem jeweiligen Akt innerlich zuzustimmen.

Dann kommt es darauf an, wie Partner 2 darauf reagiert.

Nimmt er den Widerwillen von Partner 1 wahr und fordert die Befriedigung seiner eigenen Wünsche trotzdem weiterhin ein, wird sich Partner 1 als Opfer seiner Begierden und Rücksichtslosigkeit fühlen und sich dafür direkt oder indirekt rächen. Die Dynamik führt in diesem Fall zum Beziehungstod, selbst wenn die Partner zusammen bleiben sollten.

Reagiert Partner 2 auf den Widerwillen von Partner 1, indem er seine eigenen Impulse zurücknimmt, reduziert sich das gemeinsame Liebesleben früher oder später auf diejenige Schnittmenge an sexuellen Handlungen, die für beide akzeptabel erscheint. Dies hat langfristig zur Folge, dass beide Partner sexuell frustriert sind.

Darüber hinaus gibt es aber auch noch andere Probleme, die im Zusammenhang damit stehen, dass beide Partner mit den gemeinsamen sexuellen Handlungen einverstanden sein müssen.

Eine solche Zustimmung bedarf nämlich dem Wissen darüber, was man will und was man nicht will, der Bereitschaft zur Kommunikation und dem Mut, „ja“ oder „nein“ zu etwas sagen zu können.

Es stellen sich einem dabei nämlich Fragen wie:

„Traue ich mich, dem anderen zu sagen, wie ich ihn berühren will bzw. welche sexuellen Handlungen ich an ihm vornehmen will?“

„Traue ich mich, dem anderen zu sagen, wie ich vom ihm berührt werden will bzw. welche sexuellen Handlungen ich möchte, dass er an mir vornimmt?“

„Bin ich bereit, bestimmte Berührungen und sexuelle Handlungen an mir vornehmen zu lassen?“

„Traue ich mich, bestimmte Berührungen und sexuelle Handlungen am Partner vorzunehmen?“

Diese Fragen zu beantworten und den Mut aufzubringen, dem Partner diese Antworten dann auch mitzuteilen, fällt vielen sehr schwer!

Zum Glück können wir die damit zusammenhängenden Ängste jedoch mithilfe von PEAT oder anderen Methoden reduzieren bzw. beseitigen.

Geben und Nehmen im Bereich der Sinnlichkeit

Wie aber können Partner mit unterschiedlichen sexuellen Bedürfnissen und Vorlieben nun trotzdem zu einer erfüllenden Sexualität finden, die die Zustimmung beider erhält?

Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich mich auf das „Geben und Nehmen im Bereich der Sinnlichkeit“ konzentrieren und dabei auf das sogenannte „Wheel of Consent“ von Betty Martin zurückgreifen. In diesem nimmt die Autorin nämlich eine Differenzierung dieser Polarität in 2 Unter-Polaritäten vor, was zu interessanten Erkenntnissen führt:

  1. Dienen versus Annehmen/Empfangen
  2. Erlauben versus Nehmen.

 

Das „Wheel of Consent“ von Betty Martin:

 

  1. Erlauben versus Nehmen.

Im Rahmen der Polarität „Nehmen versus Erlauben“ geht es von Seiten des Nehmers um die Frage: „Wie möchte ich dich berühren?“ und von Seiten des Erlaubers: „Wie möchtest du mich berühren?“

Beim Nehmen steht dabei der eigene Genuss im Vordergrund. Der Nehmer handelt also ausschließlich, um sich selbst Freude zu bereiten. Dies heißt jedoch nicht, dass die Handlung nicht auch dem Erlauber Freude bereiten kann oder darf. Allerdings liegt der Fokus ganz klar auf dem Genuss für den Nehmer.

Um hier die Zustimmung des anderen zu erhalten, fragt ihn der Nehmer: „Darf ich…(z.B. dich auf eine bestimmte Weise berühren)?“ (wobei der Fokus auf dem eigenen Genuss dieser Berührung liegt und nicht darin, dem anderen eine Freude zu machen)

Der Erlauber bekommt nun die Gelegenheit, seine Erlaubnis dazu zu geben bzw. zu verweigern oder an bestimmte Bedingungen zu knüpfen. Z.B. „Ja, du darfst, aber nur, wenn du nicht zu fest drückst.“

Wichtig beim Nehmen und Erlauben:

Der Nehmer handelt, der Erlauber handelt nicht. Der Nehmer benutzt den Partner für sein eigenes Vergnügen, der Erlauber ist dabei passiv und gewährt. Dieses Gewähren ist das Geschenk, das der Erlauber dem Nehmer macht.

Der logische Abschluss dieses Austauschs von Nehmen und Erlauben besteht darin, dass der Nehmer sich beim Erlauber bedankt und der Erlauber signalisiert „Gern geschehen!“

 

  1. Empfangen versus Dienen.

Im Rahmen der Polarität „Empfangen versus Dienen“ geht es von Seiten des Empfängers um die Frage: „Wie möchte ich gerne von dir berührt werden?“ und von Seiten des Dieners: „Wie möchtest du gerne von mir berührt werden?“

Dabei ist es natürlich hilfreich, dass der Empfänger weiß, was er will und dass er dem Diener genaue Anweisungen gibt, was dieser wie tun soll.

Um hier die Zustimmung des Dieners zu erhalten, fragt ihn der Empfänger: „Würdest du…(z.B. mich auf eine bestimmte Weise berühren)?“ Dann sollte er dem Diener möglichst genaue Anweisungen geben, wie er sich diese Berührungen genau vorstellt.

Der Diener bekommt nun die Gelegenheit, seine Bereitschaft dazu zu signalisieren bzw. zu verweigern oder an bestimmte Bedingungen zu knüpfen. ZB. „Ja, ich bin bereit.“ Dann führt er am Empfänger exakt diejenigen Handlungen aus, die dieser sich gewünscht hat.

Wichtig beim Empfangen und Dienen:

Der Diener handelt, nicht der Empfänger. Der Empfänger muss dem Diener jedoch klare Anweisungen bzw. ein klares Drehbuch vermitteln, wie dieser dienen soll. Das Ausführen der lustvollen Handlung ist das Geschenk, das der Diener dem Empfänger macht.

Der logische Abschluss dieses Austauschs von Empfangen und Dienen besteht darin, dass der Empfänger sich beim Diener bedankt und der Diener signalisiert „Gern geschehen!“

 

Generell

Sowohl der Erlauber als auch der Diener dürfen natürlich im Verlauf einer sexuellen Begegnung ihre Zustimmung zurückziehen bzw. an neue Bedingungen knüpfen. Dies darf und sollte geschehen, falls sie im Erleben feststellen, dass ihnen die entsprechende Handlung doch zu unangenehm ist, als dass sie sie weiter zulassen oder durchführen wollen.

Um die sexuelle Begegnung besonders schön zu gestalten, gibt es für den Nehmer und den Empfänger besondere Hürden. Hat der Nehmer dem Erlauber klar beschrieben, was er von ihm möchte und hat der Erlauber ihm hierfür die Erlaubnis gegeben, dann muss der Nehmer auch den Mut dazu haben, sich genau das zu nehmen, was er sich gewünscht hat, ohne dabei darauf zu achten, ob dies dem Erlauber besonderen Spaß macht oder nicht. Da der Erlauber seine Erlaubnis an bestimmte Bedingungen knüpfen kann, liegt es in dessen Verantwortung, der Handlung zuzustimmen oder nicht. Außerdem geht es beim Nehmen ausschließlich ums…. Nehmen.

Beim Empfänger liegt die Hürde für besonders schönen Sex darin, dass er seine eigenen Wünsche möglichst gut einschätzen kann und dem Diener ein möglichst perfektes Drehbuch seiner Wünsche mitteilt. Dadurch wird der Diener von dem Druck befreit, die Wünsche des Partners erraten zu müssen. Hat der Diener seine Bereitschaft signalisiert, dem Empfänger seine Wünsche zu erfüllen, geht es beim Empfänger ausschließlich ums… Genießen.

 

Warum dieses Modell des Gebens und Nehmens einen wirklichen Unterschied in unserem Liebesleben machen kann:

Bei vielen Paaren kommt es im Bereich der Zärtlichkeit und Erotik zu Problemen, da Geben und Nehmen vermischt werden und nicht klar ist, wer für das Geschenk bzw. die Zärtlichkeitsgabe verantwortlich ist.

Oft versucht Partner 1, Partner 2 erotisch zu stimulieren, um sich dadurch das Recht zu sichern, im Gegenzug nehmen zu können, was er von Partner 2 möchte. Wenn er Partner 2 aber nicht sagt, was genau er nehmen will und deshalb auch keine klare Erlaubnis von Partner 2 erhält, kann dies schnell schief gehen. Dannf fühlt sich Partner 2 möglicherweise benutzt und bringt seinen Widerwillen gegen das Nehmen des Partners zum Ausdruck. Dies reduziert aber die Freude und den Genuss auf beiden Seiten.

Im Bereich des Empfangens und Dienens taucht häufig das Problem auf, dass der Empfänger dem Partner nicht mitteilt, wie genau er berührt werden möchte. Vielmehr versuchen die Partner gegenseitig zu erraten, was der andere wohl besonders gern hat. Dabei gehen aber beide von ihren eigenen Vorlieben und Wünschen aus und können somit leicht daneben liegen. In diesem Fall kommt es zu Frustrationen auf beiden Seiten, da der Empfänger nicht bekommt was er sich wirklich wünscht und der Diener zu dem Eindruck gelangt, dem Partner nicht wirklich zu genügen. Auch dies reduziert die Freude und den Genuss auf beiden Seiten.

Werden die Spielregeln des Wheel of Consent berücksichtigt, können beide Partner abwechselnd aktiv und passiv sein, sich gegenseitig beschenken und beschenken lassen und dabei sicher sein, dass sie ein Geschenk bekommen, das sie sich wirklich wünschen.

 

Wenn der Zärtlichkeitsaustausch zwischen dir und deinem Partner etwas eingerostet sein sollte, integriere deshalb einfach die beiden genannten Dynamiken des Empfangens und Dienens sowie des Nehmens und Erlaubens in dein Liebesleben und tausche mit deinem Partner immer wieder die Rollen.

Falls du dabei auf Hemmungen stoßen solltest, zu nehmen, zu erlauben, zu empfangen oder zu dienen, bearbeite diese Hemmungen mit PEAT oder anderen Psychointegrationsmethoden und vergiss das zirkuläre Prozessieren nicht.

Es ist durchaus möglich, dass du dann einige wundervolle Erfahrungen machen wirst!