Der Effekt der Sättigung hängt eng mit dem der Gewöhnung zusammen. Im Prozess der Gewöhnung werden unsere inneren Reaktionen auf bestimmte Reize immer schwächer und schwächer, je häufiger und länger wir mit ihnen konfrontiert werden. Dies ist zwar tröstlich, wenn es sich um unangenehme Reize handelt, allerdings sehr unpraktisch, wenn es um beglückende Erfahrungen geht.
So kann es leicht dazu kommen, dass wir das Schöne und Gute in unserem Leben gar nicht mehr wahrnehmen und uns manchmal inmitten von Glückquellen unglücklich fühlen.
Ähnlich ist es bei der Sättigung. Sättigung führt dazu, dass uns die Dinge, die wir genießen, mit zunehmendem Konsum immer weniger Freude bescheren. Am Endpunkt droht sogar eine Übersättigung, bei der sich aus Genuss Ekel oder Abscheu wird.
Habe ich z.B. Hunger und kaufe mir einen Hamburger, dann befriedigt dieser sowohl meinen Appetit als auch meine Lust auf etwas Leckeres. (vorausgesetzt natürlich, ich liebe Hamburger). Esse ich dann noch einen zweiten Burger, schmeckt mir dieser wahrscheinlich schon etwas weniger als der erste. Spätestens beim dritten, vierten oder fünften wird sich der anfängliche Genuss dann aber allmählich in Übelkeit verwandeln. Der zusätzliche Lustgewinn jedes weiteren Burgers wird also immer geringer und irgendwann sogar negativ.
Neben einer körperlichen Sättigung gibt es auch noch eine psychische Variante. Hierbei handelt es sich um das Phänomen, das wir bei häufiger Ausführung einer Handlung oder Tätigkeit allmählich eine ausgeprägte Abneigung dieser gegenüber entwickeln, selbst wenn wir diese zunächst als angenehm oder neutral empfunden haben.
Vielen geht es so mit Hausarbeiten wie kochen, putzen oder aufräumen.
Im Bereich der Ökonomie ist das Problem der Sättigungseffekte als abnehmender Grenznutzen bekannt. Dieser besagt, dass uns das „Mehr“ eines erwünschten Objekts immer weniger Befriedigung bringt, sobald unsere Bedürfnisse hinreichend gestillt sind. Brauche ich etwa eine neue Winterjacke, dann freue ich mich darüber, wenn ich eine schöne gefunden habe. Eine zweite Winterjacke bringt mir aber schon etwas weniger Freude und jede weitere ab einem bestimmten Punkt gar keine mehr.
Das gleiche gilt übrigens auch für das Einkommen. Unsere Zufriedenheit steigt mit steigendem Einkommen, aber nur bis zu einem Punkt des Wohlstands, an dem wir uns unsere wichtigsten Bedürfnisse und Wünsche erfüllen können. Danach bringt zusätzliches Einkommen immer weniger zusätzliche Beglückung. So wird jemand, der nur 10.000 Euro im Jahr zur Verfügung hat, sicher einen größeren Glückszuwachs erleben, wenn er plötzlich 20.000 Euro pro Jahr bekommt, als jemand, der ursprünglich bereits 100 000 Euro pro Jahr verdient und nach einer Beförderung 110 000 Euro.
Wenn wir glücklich werden wollen, ist es wichtig, dass wir die Phänomene der Gewöhnung und Sättigung in unsere Entscheidungen und unsere Lebensplanung mit einbeziehen. Tun wir das nicht, schätzen wir höchst wahrscheinlich völlig falsch ein, was für die Steigerung unserer Lebensqualität wirklich wichtig ist und setzen nur allzu leicht auf das falsche Pferd.
Dann jagen wir immer wieder nach dem Kick des ersten Mals, der möglicherweise jedoch nie wieder kommen wird. Wir geraten in verschiedene Fallen, wie z.B. die Suchtfalle (bei der wir ständig irgendwelchen Genüssen nachjagen), die Konsumfalle (bei der wir ständig irgendwelchen Dingen nachjagen), die Schönheitsfalle (bei der wir ständig unser Aussehen optimieren wollen) oder die Leistungsfalle (in der wir ständig dem Erfolg, dem Geld, der sozialen Anerkennung und größerer Machtfülle nachjagen).
Ihnen allen liegt zugrunde, dass wir irgendwann einmal eine Erfahrung gemacht haben, die eine starke positive oder aufregende innere Reaktion in uns ausgelöst hat. Diese Erfahrung wollen wir dann wiederholen und glauben fälschlicherweise, dass wir eine noch größere Befriedigung erleben werden, wenn wir diese Erfahrung möglichst oft oder gar dauerhaft erleben könnten. Leider ist genau das Gegenteil der Fall.
Bei der Suchtfalle wurde die erste tolle Erfahrung meist mit einer bestimmten Substanz (einer psychoaktiven Substanz oder einem Genussmittel) gemacht. Bei der Konsumfalle mit einem äußerst befriedigenden Erwerb bzw. Objekt. Bei der Schönheitsfalle mit sehr positiv erlebten Feedbacks durch die Umwelt und ein Gefühl der Macht über andere. Bei der Leistungsfalle durch Erfolge im wirtschaftlichen Bereich, im Bereich des öffentlichen Ansehens und in der zunehmenden Machtfülle.
Wenn wir nun aber wissen, dass ein Zuviel des gleichen ab einem bestimmten Punkt keine wirkliche Steigerung unseres Glücks mehr bringt, sondern möglicherweise sogar das Gegenteil, können wir innehalten und uns entspannen.
Wir können aufhören, ständig ein „Mehr“ von irgendetwas zu wollen und stattdessen wieder anfangen zu genießen, was wir bereits haben. Außerdem können wir unsere Zeit und unser Geld dann wieder auf Arten nutzen, die uns und die Menschen um uns herum wesentlich glücklicher machen.
Häufig fällt uns dies jedoch sehr schwer, da wir alle unter einem (mehr oder weniger bewussten) inneren Gefühl des Mangels leiden, das wir ohne Beschäftigung nur schwer ertragen können und das wir durch schnelle Kicks (durch Genüsse, positive Feedbacks oder Erfolgserlebnisse) loswerden wollen.
Dieses Gefühl des Mangels können wir jedoch z.B. mit Hilfe von Achtsamkeitsübungen, Akzeptanzübungen, Dankbarkeitsübungen und den Methoden der Psychointegration deutlich lindern.
Es geht dabei um die Akzeptanz und Integration der eigenen Bedürftigkeit und von Polaritäten wie “Brauchen versus Haben”, “Wollen versus Haben”, “Unvollständigkeit versus Vollständigkeit”, “Mangel versus Überfluss”, “genügen versus nicht genügen” und ähnlichen.
Die Integration dieser Polaritäten wirkt sich weit positiver auf unsere Lebenszufriedenheit und unser Glücksniveau aus als jeder Konsum und alles Geld der Welt.