(Fortsetzung von Teil 2)
Wie im letzten Artikel bereits erwähnt, ist es für unser unseren Weg in die Freiheit von Leiden unerlässlich, unsere falschen Vorstellungen von uns selbst und der Welt aufzudecken.
Die wichtigsten dieser falschen Vorstellungen sind:
1. Ich bin ein vom Rest der Schöpfung getrenntes und begrenztes Körper-Psyche-Wesen
2. Bewusstsein teilt die Begrenzungen des Körper-Psyche-Wesens und ist von diesem abhängig
3. Das Glück ist irgendwo in den Objekten zu finden
Zu 1. Bin ich ein vom Rest der Schöpfung getrenntes und begrenztes Körper-Psyche-Wesen?
Viele von uns bemerken irgendwann, dass wir als Menschen Getriebene sind und unter dem mehr oder weniger subtilen Gefühl leiden, dass in unserem Leben irgendetwas fehlt. Dieses Gefühl lässt sich irgendwie nie dauerhaft abschütteln und so suchen wir unser Leben lang nach Ablenkungen und Beschäftigungen, nach Dingen, Errungenschaften, Beziehungen, besonderen Erlebnissen und Gefühlszuständen. Dabei hoffen wir, dass wir irgendwann etwas finden, das uns dauerhaft glücklich macht und erfüllt. Denn genau dies ist es, wonach wir uns alle sehnen.
Dummerweise gibt es in der Welt der Objekte aber nichts, was unser Gefühl der Unvollständigkeit bzw. des Mangels endgültig beseitigen kann. Der Grund dafür liegt darin, dass wir uns für ein vom Rest der Welt getrenntes und begrenztes Wesen halten. Als solche sind wir natürlich unvollständig und teilen die Welt der Objekte und Umstände ein in solche, die uns vielleicht glücklicher machen als wir es im Moment sind, und solche, die uns vielleicht unglücklicher machen könnten, als wir es im Moment sind. Den Glückverheißenden laufen wir dann nach; vor den Unglückverheißenden haben wir Angst.
Dauerhaftes Glück ist somit nur dann möglich, wenn wir unsere derzeitige Erfahrung der Begrenztheit und vom Rest der Welt Getrenntheit auflösen und stattdessen die Erfahrung der grundsätzlichen Einheit allen Seins machen. Wenn wir alles sind, gibt es schließlich nichts mehr, wovor wir uns fürchten müssten und nichts mehr, was wir für unser Glück benötigen. Um dies zu bewerkstelligen, wurden seit jeher verschiedene kontemplative Übungen und Meditationsformen empfohlen.
Wenn wir diese Methoden anwenden, beginnt sich unser Gefühl der Begrenztheit allmählich aufzulösen. Und mit dem Gefühl der Begrenztheit lösen sich auch alle Sorgen, Ängste und das Mangelgefühl immer mehr auf, da diese alle von dem Gefühl abhängen, ein vom Rest der Welt getrenntes und begrenztes Wesen zu sein.
Der direkteste Weg zur Erkenntnis dessen, was wir wirklich sind, ist dabei die spirituelle Selbsterforschung bzw. die Frage „Wer bzw. was bin ich?“. Diese kannst in Form einer rationalen Analyse beginnen, oder aber im Rahmen kontemplativer Meditationen oder im Rahmen eines Gnostischen Intensivprozesses. In letzterem tauchst du auf der Erlebnisebene tief in 4 verschiedene Fragen ein. (1) Wer bin ich? (2) Was bin ich? (3) Was ist das Leben? und (4) Was sind andere Menschen? Der gnostische Intensivprozess gibt dir dadurch einen Boost in Richtung Erwachen aus der Illusion der Begrenztheit.
Es reicht jedoch nicht aus, sich die eben genannten Fragen nur einmal im Rahmen einer Übung zu stellen. Vielmehr gilt es danach, sich die Frage „wer bzw. was bin ich?“ im Alltag immer und immer wieder zu stellen und dann darauf zu warten, welche Antworten in uns aufsteigen. Da unser Verstand diese Fragen jedoch niemals beantworten kann, versuche, gedanklich kurz vollkommen still zu werden. Wenn dir dies nicht gelingt, nimm die erstbeste Antwort, die in deinem Bewusstsein auftaucht und frage dich „Wem präsentieren sich diese Gedanken?“ (die Antwort darauf lautet „Mir“) Dann frage dich: „Und wer ist dieses „Ich“, auf das sich das „Mir“ bezieht?“ Auf diese Weise bist du wieder bei der ursprünglichen Frage angelangt „Wer bin ich?“ Fahre auf diese Weise fort, bis du die Antwort hast, egal wie lange dies dauert.
Sei dir aber bewusst, dass jede Antwort, die dir dein Ego gibt, falsch ist, da das Ego nur aus Gedanken, Gefühlen, Emotionen und Bildern besteht, die allesamt begrenzt sind. Das Ego kann dir somit nur ein Konzept von dir vermitteln. Frage dich also, wer du bist und warte still auf die Antwort, bis sie dir von jenseits des Egos gegeben wird.
Als Alternative zu den eben genannten Fragen kannst du aber auch folgende Möglichkeit nutzen. Wann immer du einen Gedanken, ein Gefühl oder ein persönliches Zentrum fühlst, überprüfe deine gegenwärtige Erfahrung, indem du dich fragst „Bin ich diese Erfahrung oder bin ich das, was sich dieser Erfahrung gewahr ist?“ Dadurch wird dir die Unrealität des Egos immer bewusster und das was du wirklich bist, kann allmählich hervortreten.
Zu 2. Teilt Bewusstsein wirklich die Begrenzungen des Körper-Psyche-Wesens und ist es wirklich von diesem abhängig?
Der nächste Schritt der Selbsterforschung lautet: „Woher weiß ich, dass das Gewahrsein, das ich bin, begrenzt ist?“ und „Ist das Gewahrsein, das ich bin, auf der Basis meiner Erfahrung von mir als Gewahrsein begrenzt oder nicht?“ Wenn du diesen Fragen wirklich tiefgründig nachgehst, wirst du erkennen, dass es unmöglich ist, eine Antwort darauf zu finden. Du kannst dir auch die Frage stellen, wo das „Ich“ bzw. Gewahrsein lokalisiert ist. Normalerweise denken die Menschen, ihr Ich wäre im Körper bzw. im Kopf zu finden. Und den einzigen Beweis, den sie dafür angeben können, ist, dass es sich so anfühlt. Ein Gefühl ist aber immer nur ein Objekt, das vom Gewahrsein wahrgenommen wird. Und als solches sagt es nichts über Gewahrsein selbst aus. Folgerichtig hat bisher auch noch kein Chirurg ein „Ich“ gefunden, wenn er in den Kopf eines Menschen hineingeschaut hat.
Die tiefgründige Erforschung dieser Fragen wird dir zeigen, dass all die Menschen, die behaupten, sie hätten die Antworten (nämlich „Gewahrsein ist begrenzt“ und „Gewahrsein ist im Kopf“), ihre Antworten in Wirklichkeit nie überprüft haben. Dadurch gelangst du zur Befreiung von der fixen Vorstellung, begrenzt zu sein.
Hierfür ist es übrigens nicht notwendig, einen positiven Beweis dafür finden kannst, dass Gewahrsein grenzenlos ist. Das Ziel der Selbsterforschung ist bereits hinreichend erreicht, wenn du klar verstanden hast, dass es keinerlei Beweis dafür gibt, dass das Bewusstsein getrennt und begrenzt ist und in einer größeren Realität enthalten ist.
Zu 3. Ist das Glück wirklich irgendwo in den Objekten zu finden?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir erst einmal begreifen, was wirklich passiert, wenn wir bekommen, was wir uns wünschen. Wir begehen in der Regel nämlich den Irrtum, zu glauben, dass es die Objekte oder Ereignisse sind, die uns glücklich machen. Das stimmt jedoch nicht.
Wenn wir ein Objekt begehren oder uns danach sehnen, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt oder dass wir eine bestimmte Erfahrung machen, dann verschwindet unsere Sehnsucht bzw. unser Wunsch danach in dem Moment, in dem wir es bekommen bzw. wenn die Situation/Erfahrung eintritt. Im selben Moment, in dem wir bekommen, was wir wollten, erfahren wir auch eine gewisse Freude bzw. ein Glücksgefühl.
Das Dumme daran ist aber, dass schon kurz danach wieder ein Gefühl der Unzufriedenheit oder Unruhe auftaucht und das Glück bzw. die Freude wieder verschwindet. Dann taucht ein neuer Wunsch auf. Unser Irrtum liegt nun darin, dass wir denken, dass es doch irgendwie möglich sein muss, dass uns die Erfüllung unserer Wünsche dauerhafte Zufriedenheit beschert. Wenn wir doch nur den richtigen Partner finden könnten, die richtigen Lebensumstände, den richtigen Bewusstseinszustand. Dies wird jedoch niemals geschehen.
Schließlich hat uns die Erfüllung unserer Wünsche noch nie das gebracht, was wir wollten. Denn was wir wirklich wollen, ist permanente Freude, Zufriedenheit oder Erfüllung. Wir wollen nicht nur die kurzfristige und vorübergehende Erfüllung von Wünschen, die von neuen und immer neuen Wünschen abgelöst werden. Wir wollen bleibende Zufriedenheit und Erfüllung.
Jetzt aber das Interessante: wenn wir uns einen Wunsch erfüllen, sind wir für einen Moment in einem Zustand, in dem wir nichts wollen und in dem uns nichts fehlt. Was wir in Wirklichkeit suchen, ist somit nicht die Erfüllung unserer Wünsche, sondern der Friede des wunschlosen Zustands. Wenn wir begreifen, dass das, was wir suchen, nicht die Erfüllung von Wünschen ist, sondern der wunschlose Zustand, dann können wir damit aufhören, ständig nach Objekten, Ereignissen und Erfahrungen zu gieren.
Dadurch kommen schon einmal eine gewisse Entspannung und Gelassenheit in unser Leben. Und wir machen uns weniger Gedanken darüber, ob sich ein Wunsch erfüllt wird oder nicht.
Wenn wir schließlich wirklich erkannt haben, dass uns kein Objekt, kein Ereignis und kein Bewusstseinszustand dauerhaft glücklich machen kann, können wir das Glück mit vollem Einsatz dort suchen, wo es wirklich zu finden ist. Im Gewahrsein im Hier und Jetzt.
Der Shift vom individuellen Standpunkt zum Standpunkt des Gewahrseins
Ab diesem Punkt beginnt dann ein lebenslanger Prozess, der darin besteht, immer weniger aus der Perspektive eines begrenzten Körper-Psyche-Wesens heraus zu denken, zu fühlen und zu handeln, und stattdessen immer mehr aus er Perspektive des Gewahrseins.
Die Frage lautet also: „Wie würde ich in einer bestimmten Situation denken, fühlen oder handeln, wenn ich kein begrenzter Mensch wäre, sondern vollständiges, erfülltes, in mir ruhendes, offenes, unveränderliches, unsterbliches und alles beinhaltendes Gewahrsein?“
Dies führt früher oder später zu einem bewussten Shift der Identität weg von der Identifikation mit dem Körper-Psyche-Wesen und hin zum Gewahrsein. Die Unwissenheit wird also durch ein bewusstes Ruhen in der Wahrheit abgelöst, alle Ängste und illusionären Begierden kommen zu einem Ende und das Glück des wunschlosen Gewahrseins erstrahlt unverstellt von allen Illusionen.